Unterrichtsplan für eine 90-minütige Religionsstunde
Thema: Mediation statt Diplomatie – Lektionen von Franz von Assisi für die heutige Welt
Zielgruppe: Gymnasialschüler (ab Klasse 10)
Dauer: 90 Minuten
I. Einführung (ca. 15 Min.)
Impulsfrage: Wie werden Konflikte in der Politik heute meistens gelöst?
Brainstorming an der Tafel: Schüler sammeln Begriffe zu „Diplomatie“, „Krieg“, „Strafe“, „Frieden“.
Kurzer Input: „Der Mythos der erlösenden Gewalt“ (Walter Wink) – Erklärung, dass Gewalt oft als letztes Mittel gesehen wird.
Vorstellung des alternativen Ansatzes: Mediation als christliche Tradition, z.B. Franz von Assisi und der Wolf von Gubbio.
II. Diskussion: Aktuelle Konflikte und Lösungsstrategien (ca. 15 Min.)
Frage an die Klasse: Wie wird der Ukraine-Krieg aktuell in den Medien dargestellt? Welche Lösungsansätze werden diskutiert?
Gruppenarbeit (je 3-4 Schüler): Analyse von drei Lösungsmodellen:
Militärische Gewalt („Erlösende Gewalt“)
Diplomatische Verhandlungen
Mediation nach Franz von Assisi
Präsentation der Ergebnisse (je Gruppe 2-3 Minuten).
Lehrerin-/Lehrerinput: Erklären, warum Mediation oft vernachlässigt wird und was sie leisten kann.
III. Praktische Anwendung: Mediation (ca. 25 Min.)
Einteilung in vier Gruppen, die einen simulierten Konflikt bearbeiten.
Szenario: Streit zwischen zwei Staaten oder zwei Gruppen (z.B. Bauern und Großgrundbesitzer).
Zuweisung der Rollen:
Eine Seite: Aggressor (ähnlich dem Wolf von Gubbio)
Andere Seite: Geschädigte Partei
Mediator (nach dem Vorbild von Franz von Assisi)
Die Gruppen erarbeiten eine kurze Mediation (Gesprächsstruktur nach dem Franziskus-Modell).
Beispielhafter Konflikt mit antizipierter Lösung:
Beispielkonflikt und Lösung durch Mediation nach dem Modell von Franz von Assisi
Konflikt: Der Streit um das Wasserrecht zwischen zwei Dörfern
Hintergrund:
Zwei Dörfer, Rivertown und Hillside, liegen an einem Fluss. Hillside hat in den letzten Jahren eine große Wasserleitung gebaut und nutzt das Wasser für ihre Landwirtschaft, wodurch der Fluss in Rivertown austrocknet. Die Menschen in Rivertown haben nicht mehr genug Wasser für ihre Felder und Tiere. Es kommt zu gegenseitigen Drohungen, und die Bewohner von Rivertown haben begonnen, nachts die Wasserrohre von Hillside zu beschädigen. Hillside droht mit Wachdiensten und rechtlichen Schritten.
Ein weiser Mediator, ein Mönch namens Bruder Elias, wird gebeten, zwischen den Dörfern zu vermitteln.
Mediation nach dem Schema von Franz von Assisi
1. Herstellen einer Gesprächssituation mit dem Aggressor (A)
Bruder Elias reist nach Hillside, dem „Aggressor“, und bittet um ein friedliches Gespräch. Er wählt einen neutralen Ort, eine alte Kapelle zwischen den Dörfern, und bittet die Dorfältesten von Hillside um ein Treffen. Nach langem Zögern stimmen sie zu.
2. Verhandlung mit A (Hillside)
I. Anrede/Schuldaufweis
Bruder Elias spricht zu den Ältesten von Hillside:
"Ihr seid fleißige Bauern, und eure Felder blühen prächtig. Doch ihr nehmt mehr Wasser, als euch zusteht, und die Menschen in Rivertown leiden. Sie verlieren ihre Ernte, ihre Tiere verdursten, und sie sehen keinen anderen Weg, als sich mit Gewalt zu wehren. Euer Handeln führt zu Not und Unfrieden. Ist das wirklich der Weg, den ihr gehen wollt?"
II. Angebot
"Doch es gibt eine Lösung. Ihr wollt das Wasser, sie wollen das Wasser. Lasst uns gemeinsam eine Lösung finden, die beiden Seiten dient. Ich schlage vor: Ihr gebt einen Teil des Wassers ab und helft Rivertown beim Bau eines Bewässerungssystems, sodass beide Dörfer genug haben."
III. Versprechen
Nach langem Überlegen erkennen die Ältesten von Hillside ihre Verantwortung an. Sie versprechen:
Ein Drittel des Wassers abzugeben.
Beim Bau eines Bewässerungskanals für Rivertown zu helfen.
Keine Wachtruppen einzusetzen.
IV. Beglaubigung gegenüber V mit Handschlag
Bruder Elias reicht dem Anführer von Hillside die Hand als Zeichen des Abkommens. Dieser nimmt die Hand, und das Versprechen ist offiziell.
3. Verhandlung mit den Betroffenen (B - Rivertown)
I. Anrede (Predigt)
Bruder Elias reist nach Rivertown. In der Dorfversammlung sagt er:
"Eure Wut ist verständlich, doch Vergeltung wird den Fluss nicht wieder füllen. Ihr habt zu den falschen Mitteln gegriffen und damit das Misstrauen verschärft. Doch nun ist die Zeit für einen neuen Anfang."
II. Angebot Friedensvertrag mit Bürgschaft seitens des Vermittlers
"Hillside hat erkannt, dass ihr Recht habt. Sie werden euch Wasser geben und helfen, ein Bewässerungssystem zu bauen. Aber auch ihr müsst Frieden schließen: Keine weiteren Sabotagen, keine Feindseligkeit mehr. Ich stehe als Bürge für dieses Abkommen ein."
III. Versprechen
Die Bewohner von Rivertown stimmen zu und versprechen:
Keine weiteren Angriffe auf die Wasserleitungen.
Gemeinsam mit Hillside den neuen Bewässerungskanal zu bauen.
Den Frieden mit Hillside zu wahren.
4. Abschluss des Friedensvertrags
I. Versprechen A gegen B (mit symbolischen Gesten)
Die Bewohner von Hillside bringen am nächsten Tag Eimer mit Wasser nach Rivertown als erstes Zeichen des guten Willens.
Die Bewohner von Rivertown beginnen symbolisch mit dem Bau des Bewässerungskanals.
II. Beglaubigung des Versprechens durch A gegenüber V durch Handschlag in Anwesenheit von B
Ein offizielles Treffen zwischen den Dorfältesten findet in der Kapelle statt. Bruder Elias fordert beide Seiten auf, sich die Hand zu reichen. Die Anführer von Hillside und Rivertown tun dies vor allen Menschen, und der Konflikt ist offiziell beigelegt.
Ergebnis:
Das Wasser wird gerecht verteilt.
Ein gemeinsamer Bewässerungskanal stärkt die Zusammenarbeit zwischen den Dörfern.
Ein möglicher Krieg zwischen den Dörfern wurde verhindert.
Beide Seiten haben gelernt, dass Mediation eine Alternative zu Gewalt ist.
Reflexion:
Dieser Fall zeigt, dass Mediation selbst in scheinbar festgefahrenen Konflikten funktioniert.
Der Mediator muss beide Seiten anhören und die Bedürfnisse aller anerkennen.
Schuld wird angesprochen, aber nicht mit Bestrafung, sondern mit Lösungen beantwortet.
Symbolische Gesten (Händeschlag, Wasserspende) sind wichtig, um den Frieden zu besiegeln.
IV. Präsentation der praktischen Anwendung (ca. 15 Min.)
Zwei Gruppen präsentieren ihr Rollenspiel (jeweils 5 Minuten).
Die Klasse gibt Feedback: Hat Mediation funktioniert? Wo waren Schwierigkeiten?
Diskussion über Realismus: Kann man das auch auf internationale Politik übertragen?
V. Reflexion und Zusammenfassung (ca. 10 Min.)
Tafelbild: „Was wir aus Franz von Assisi für Friedensprozesse lernen können“
Diskussionsfrage: Warum ist das Sühne/Strafe-Paradigma so dominant? Welche Alternativen gibt es?
Schüler äußern ihre Gedanken in einer Blitzlichtrunde.
VI. Hausaufgabe
Schreibe einen kurzen Essay (1-2 Seiten) zu einer der folgenden Fragen:
Warum ist Mediation in der Politik so selten?
Was würde passieren, wenn alle Konflikte nach dem Franziskus-Prinzip gelöst würden?
Ist Vergeben und Vermitteln wirklich „gerecht“? Warum oder warum nicht?
VII. Abschließende Worte
Zitat aus Matthäus 5,9: „Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Kinder Gottes heißen.“
Appell: Nicht nur über Gewalt und Frieden reden, sondern selbst zum Friedensstifter werden – auch im eigenen Leben!
VIII. Zusätzliche kreative Ideen
Musikimpuls: Lied „Imagine“ von John Lennon hören und reflektieren.
Kunstaktion: Schüler malen Symbole für Frieden & Mediation.
Schulweite Aktion: Konfliktmediations-Workshop mit einem Experten organisieren.
IX. Bibelzitate zur Vertiefung
Matthäus 5,39: „Wenn dich jemand auf die rechte Wange schlägt, dann halte ihm auch die andere hin.“
Lukas 6,27: „Liebt eure Feinde, tut denen Gutes, die euch hassen.“
1. Timotheus 2,5: „Denn es ist ein Gott und ein Mittler zwischen Gott und den Menschen, nämlich der Mensch Christus Jesus.“