Ein möglicher Unterrichtseinstieg kann bewusst über die ästhetische Wirkung erfolgen. Schülerinnen und Schüler erhalten zunächst einen kurzen Video- oder Textausschnitt aus dem Song, ohne weitere Kontextinformationen. In einer ersten Wahrnehmungsphase beschreiben sie ihre spontanen Eindrücke: Welche Stimmung erzeugen Musik, Sprache und Bilder? Welche Gefühle werden angesprochen? Bereits hier lässt sich erfahrbar machen, wie stark Emotionen – insbesondere Angst, Wut und Sehnsucht nach Sicherheit – das Verstehen prägen, noch bevor Inhalte rational eingeordnet werden. Diese Phase eignet sich besonders für die Sekundarstufe I, kann aber auch in der Oberstufe als bewusste Irritation eingesetzt werden.
Im Zentrum des Songs steht eine stark emotionalisierte Darstellung gesellschaftlicher Krisen. Felix Blume zeichnet ein Bild eines Landes im Niedergang: Politiker werden als korrupt und abgehoben dargestellt, während „das Volk“ leidet, verarmt, bedroht und schutzlos erscheint. Gewalt, Kriminalität und der Schutz von Kindern werden als zentrale Bedrohungsszenarien inszeniert. Didaktisch bietet sich hier eine analytische Vertiefung an, in der Schülerinnen und Schüler Textstellen sammeln, die Angst erzeugen oder Schuldige benennen. In Partner- oder Gruppenarbeit können sie herausarbeiten, welche Probleme angesprochen werden und welche Lösungen – oder Vereinfachungen – angeboten werden. Dabei wird deutlich, dass komplexe gesellschaftliche Fragen stark verkürzt und emotional zugespitzt dargestellt werden.
An dieser Stelle kann eine religionsethische Perspektive eingebracht werden, indem die Frage gestellt wird, welche Rolle Angst in politischen oder religiösen Kontexten spielt. Schülerinnen und Schüler reflektieren, wie Angst Menschen beeinflusst, Entscheidungen lenkt und das Bedürfnis nach einfachen Antworten verstärkt. In höheren Jahrgangsstufen lässt sich dies mit dem Begriff der „Ersatzreligion“ verbinden: Politik oder Ideologie verspricht Sicherheit und Erlösung, wo eigentlich Unsicherheit ausgehalten und Verantwortung geteilt werden müsste.
Genau hier setzt die Selbstinszenierung des Künstlers an. Felix Blume präsentiert sich nicht nur als Beobachter gesellschaftlicher Missstände, sondern als deren potenzielle Lösung. In Text und Bildsprache nimmt er die Rolle eines über dem Geschehen stehenden Einzelnen ein, der den Überblick besitzt und bereit ist, „für Deutschland bis aufs Blut zu kämpfen“. Im Unterricht kann diese Inszenierung bewusst analysiert werden, etwa durch den Vergleich mit bekannten Bildmotiven aus Kunst, Geschichte oder Religion. Schülerinnen und Schüler untersuchen, wie Führerfiguren dargestellt werden, welche Symbole Macht und Überlegenheit markieren und warum solche Bilder besonders wirksam sind. Der Vergleich mit biblischen Texten – etwa der Ablehnung von Macht und Gewalt im Wirken Jesu – ermöglicht eine klare religionsethische Gegenperspektive.
Besonders fruchtbar für den Unterricht ist der Umgang mit Heinrich Heines Gedicht „Nachtgedanken“, das im Refrain des Songs verwendet wird. Hier bietet sich eine Textvergleichsarbeit an: Schülerinnen und Schüler lesen ausgewählte Verse des Originalgedichts und vergleichen Ton, Aussage und Haltung mit der Verwendung im Song. Dabei wird sichtbar, wie ein ursprünglich kritischer, ambivalenter Text umgedeutet und für eine nationalistische Botschaft funktionalisiert wird. Dieser Schritt lässt sich direkt auf religiöse Texte übertragen, indem diskutiert wird, wie auch Bibelstellen aus dem Zusammenhang gerissen und zur Rechtfertigung von Gewalt, Ausgrenzung oder Macht missbraucht wurden und werden.
Ein weiterer Schwerpunkt kann auf dem vermittelten Menschenbild liegen. Der Song und das gesamte künstlerische Auftreten Felix Blumes transportieren ein Ideal von Stärke, Dominanz und Erfolg, während Schwäche und Zweifel abgewertet werden. Im Unterricht können Schülerinnen und Schüler dieses Menschenbild dem christlichen Verständnis von Würde gegenüberstellen. In einer Reflexionsphase formulieren sie eigene Kriterien für ein „starkes“ Zusammenleben: Welche Eigenschaften braucht eine Gesellschaft wirklich? Was bedeutet Verantwortung füreinander? Gerade in der Oberstufe kann daraus eine kontroverse Diskussion entstehen, in der zwischen legitimer Kritik, autoritärem Denken und religiöser Hoffnung unterschieden wird.
Als Abschluss eignet sich eine produktionsorientierte Aufgabe, die Raum für eigene Positionierungen lässt. Schülerinnen und Schüler können eine Gegenrede verfassen – in Form eines kurzen Textes, eines Gebets, eines Gedichts oder eines alternativen Refrains –, in der gesellschaftliche Sorgen benannt werden, ohne auf Angst, Gewalt oder Ausgrenzung zurückzugreifen. So wird deutlich, dass Kritik möglich ist, ohne menschenverachtende oder autoritäre Denkweisen zu reproduzieren.
Insgesamt zeigt die Auseinandersetzung mit Felix Blume alias Kollegah, wie der Religionsunterricht aktuelle Popkultur nutzen kann, um grundlegende ethische und religiöse Fragen zu thematisieren. Die Verbindung von Analyse, Diskussion und eigener Gestaltung fördert nicht nur Medienkompetenz, sondern auch die Fähigkeit, zwischen Hoffnung und Heilsversprechen, zwischen Kritik und Manipulation, zwischen Macht und Verantwortung zu unterscheiden. Religion erscheint dabei nicht als moralisierende Instanz, sondern als reflektierender Raum, in dem Maßstäbe für Menschlichkeit, Würde und Zusammenleben entwickelt werden können.