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Sind die Evangelien historisch zuverlässig?

Historischer vs. kerygmatischer Jesus

Veröffentlichung:10.10.2024

Wie historisch sind die Evangelien wirklich? In diesem Video erfährst du, warum Theologen wie Rudolf Bultmann glauben, dass die Evangelien keine verlässlichen historischen Berichte sind, sondern Glaubenszeugnisse, die von Mythen und Legenden über den historischen Jesus durchzogen sind.

Seit über zwei Jahrhunderten beschäftigt Theologen und Historiker die Frage, ob die Evangelien historisch zuverlässig sind. Rudolf Bultmann vertrat zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine radikale Position: Vom Leben Jesu wisse man fast nichts, weil sich die christlichen Quellen gar nicht für biografische Details interessiert hätten. Die Evangelien seien keine nüchternen historischen Berichte, sondern Glaubenszeugnisse, die von Legenden durchwuchert seien. Ein neutrales Bild des historischen Jesus sei unmöglich, weil alle Berichte durch die nachösterliche Perspektive geprägt seien – also durch den Glauben der frühen Gemeinde an Jesu Auferstehung. Diese Überzeugung habe bereits die mündlich überlieferten Augenzeugenberichte gefärbt, sodass zwar ein historischer Kern erhalten blieb, die Erzählungen jedoch durch wunderhafte Elemente gesteigert wurden. Für Bultmann war der Zweck der Evangelien daher kein biografischer, sondern ein theologischer: Sie sollten den Glauben der christlichen Gemeinden stärken. Wundergeschichten verstand er nicht als historische Tatsachen, sondern als Mythen, die es zu „entmythologisieren“ gelte, um ihre existenzielle Botschaft freizulegen.



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Demgegenüber betonen andere Theologen wie Matthias Clausen, Marius Reiser oder Rainer Riesner, dass die Evangelien sehr wohl historische Informationen enthalten. Sie verweisen erstens auf den im antiken Vergleich kurzen zeitlichen Abstand von nur etwa 40 bis 70 Jahren zwischen Jesu Leben und der schriftlichen Fixierung der Evangelien. Zweitens hätten zur Entstehungszeit noch zahlreiche Augenzeugen gelebt, die falsche Darstellungen korrigieren konnten – auffällig sei außerdem, dass die Jünger in den Evangelien keineswegs idealisiert werden, obwohl dies im Falle manipulierten Erinnerns zu erwarten wäre. Drittens äußerten die Evangelisten selbst klar ihren historischen Anspruch: Lukas betont, sorgfältig nachgeforscht zu haben, und Johannes verweist ausdrücklich auf eigene Erlebnisse und die Wahrhaftigkeit seines Berichts. Für beide gehörte historisches Erzählen und Glaubensverkündigung zusammen. Viertens sprechen die über 5000 erhaltenen Handschriftenfragmente mit meist nur geringen Textunterschieden für eine erstaunlich genaue Überlieferung und ermöglichen eine zuverlässige Rekonstruktion des ursprünglichen Textes.

Das größte Hindernis für moderne Leser bleibt die Frage nach den Wundern. Oft wird argumentiert, die Evangelien könnten nicht glaubwürdig sein, weil sie von Übernatürlichem berichten. Doch dieser Einwand setzt bereits voraus, dass Wunder unmöglich sind. Betrachtet man hingegen die Evangelienberichte als historisch gut belegt, könnten gerade die Wunder darauf hinweisen, dass Gott durch Jesus übernatürlich gehandelt habe – bis hin zur Überwindung von Krankheit und Tod.

So bleibt die zentrale Frage offen: Wie historisch sind die Evangelien? Sind sie vor allem mythische Glaubenszeugnisse, oder bewahren sie zugleich verlässliche Informationen über das Wirken Jesu? Während Bultmann die mythischen Elemente vollständig von der Geschichte trennen wollte, sehen andere Forscher in den Evangelien sowohl Glaubenstexte als auch wertvolle historische Quellen, die von einem einzigartigen Handeln Gottes berichten. Dabei stellt sich schließlich die Frage, ob es für den christlichen Glauben wichtig ist, dass die Evangelien historischen Anspruch erheben – und warum vielen Christen bis heute daran liegt, dass sie nicht nur reine Glaubenszeugnisse, sondern auch geschichtliche Dokumente sind.

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