Ein bekanntes Beispiel ist das Gleichnis vom verlorenen Sohn. Es zeigt einen Vater, der seinen reumütig zurückkehrenden Sohn voller Liebe und ohne Vorbedingungen aufnimmt. Damit verkündet Jesus einen Gott, der grenzenlos verzeiht und nicht nach dem Prinzip von Leistung und Verdienst handelt. Der ältere Bruder hingegen, der sich an seine eigene Treue und Gesetzestreue klammert, entfremdet sich durch seinen Moralismus vom Vater und erweist sich ebenso als „verloren“. Das Gleichnis macht deutlich: Nicht Gesetzlichkeit, sondern Umkehr und Vertrauen öffnen den Weg zu Gott.
Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg betont ebenfalls eine neue, ungewohnte Gerechtigkeit. Ein Weinbergbesitzer bezahlt alle Arbeiter gleich, unabhängig von ihrer Arbeitszeit. Während dies in der Logik der damaligen wie der heutigen Gesellschaft empört, steht der Besitzer für die Großzügigkeit Gottes, in dessen Reich niemand um seine Existenz kämpfen muss. Die Menschen sind nicht Rivalen, sondern Teil einer solidarischen Gemeinschaft, die sich füreinander freut und miteinander leidet.
Im Gleichnis vom barmherzigen Samariter schließlich zeigt Jesus, dass wahre Nächstenliebe keine Grenzen kennt. Während ein Priester und ein Levit einen verletzten Mann ignorieren, hilft ausgerechnet ein Samariter – ein Angehöriger einer verfeindeten Gruppe. Jesus durchbricht bewusst gesellschaftliche und religiöse Erwartungen und macht deutlich, dass Mitmenschlichkeit über kulturelle oder ethnische Schranken hinausgeht.
In all diesen Gleichnissen wird sichtbar, dass Jesus eine andere Auslegung des Gesetzes vertritt als die religiösen Autoritäten seiner Zeit. Dies führt zu Konflikten, etwa bei der Frage nach Sabbatgeboten oder rituellen Vorschriften. Für Jesus gilt: Das Leben und Heil des Menschen steht über gesetzlichen Regeln – „Der Sabbat ist für den Menschen da, nicht der Mensch für den Sabbat.“
Zusammenfassend dienen Jesu Gleichnisse dazu, komplexe Glaubensinhalte verständlich zu machen, die Hörer herauszufordern und zu einem neuen Denken über Gott und das Zusammenleben anzuregen. Sie zeigen ein Reich Gottes, das von Barmherzigkeit, Gnade, Solidarität und echter Menschlichkeit geprägt ist und nicht nach den üblichen Maßstäben von Leistung, Rivalität oder kultureller Abgrenzung funktioniert.