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Katholische Akademie Bayern

Katholische Akademie Bayern

Jüdisches Leben in Deutschland

Veröffentlichung:1.6.2021

Das Heft 4/2021 der Zeitschrift zur debatte der Katholischen Akademie in Bayern mit 90 Seiten widmet sich schwerpunktmäßig dem Thema „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“. Es ist reich an Beiträgen, die sich sowohl historisch als auch theologisch, gesellschaftlich und politisch mit der Bedeutung jüdischer Geschichte, Gegenwart und Zukunft auseinandersetzen. Für Lehrkräfte, insbesondere in den Fächern Geschichte, Religion, Ethik oder Sozialkunde, bietet das Heft vielfältige Anknüpfungspunkte.

Fragestellungen zu den Texten sind im Feld methodisch didaktischer Kommentar enthalten.

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Im Zentrum steht ein umfangreiches Dossier zum jüdischen Leben in Deutschland, das drei Hauptbeiträge umfasst. In einem ausführlichen Gespräch berichtet Dr. Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, von ihren persönlichen Erfahrungen mit jüdischem Leben in Deutschland, der Bedrohung durch Antisemitismus und ihrer Hoffnung auf Bildung als entscheidendes Mittel gegen Hass und Vorurteile. Sie betont, dass jüdische Traditionen und religiöse Rituale für die Identität der Gemeinschaft entscheidend seien und nur durch familiäre Weitergabe und gesellschaftliche Anerkennung lebendig bleiben könnten. Sie beschreibt, wie sie sich trotz vieler Anfeindungen bewusst für ein Leben in München entschieden hat – aus Verantwortung, aber auch mit dem Vertrauen in die Gesellschaft und den Rechtsstaat.

Der Historiker Michael Brenner zeichnet in seinem Beitrag eine historische Zeitreise durch das jüdische Bayern. Er beginnt im Mittelalter mit architektonischen und künstlerischen Zeugnissen christlicher Judenfeindlichkeit, etwa an Kirchenfassaden, und führt über die frühen jüdischen Gemeinden in Sulzbach und Fürth bis hin zur Rolle jüdischer Familien in der modernen Stadtgesellschaft Münchens. Besondere Aufmerksamkeit schenkt Brenner jüdischen Persönlichkeiten wie Levi Strauss, Kurt Eisner oder Kurt Landauer, deren Wirken die bayerische Geschichte maßgeblich mitgeprägt hat. Er zeigt eindrücklich, wie jüdisches Leben in Bayern über Jahrhunderte hinweg von Ausgrenzung, aber auch von Integration, von blühenden Gemeinden und tragischen Brüchen geprägt war – nicht zuletzt in der Shoah. Zugleich blickt er hoffnungsvoll auf die Entwicklungen nach 1945, in denen sich in Bayern wieder neue jüdische Gemeinden etablieren konnten.

Mirjam Zadoff, Direktorin des NS-Dokumentationszentrums München, steuert eine kritische Analyse zum gegenwärtigen Antisemitismus bei. Unter dem Titel „Warum Antisemitismus kein jüdisches Problem ist“ argumentiert sie, dass die Verantwortung für die Bekämpfung von Judenhass bei der gesamten Gesellschaft liege. Sie verweist auf die gefährlichen Mechanismen der Wiederholung, etwa durch Verschwörungserzählungen, populistische Medienkampagnen und ein schleichendes gesellschaftliches Wegsehen. Positiv hervorzuheben ist, dass sie in ihrem Vortrag mit Offizieren der Bundeswehr in einen offenen Dialog trat – ein Beispiel für Bildungsarbeit im Sinne der Akademie: Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen im direkten Gespräch zusammenzubringen.

Neben dem Dossier enthält das Heft weitere lesenswerte Beiträge: So reflektiert Christof Breitsameter die Frage, ob Soldaten zur Feindesliebe verpflichtet seien, was im Ethik- und Religionsunterricht zu spannenden Diskussionen über christliche Gebote und gesellschaftliche Realitäten führen kann. Achim Budde und Dominik Fröhlich nähern sich dem Begriff der „Erlösung“ aus theologischer Perspektive und fragen, welche Rolle dieses Bedürfnis nach Sinn, Heilung und Ganzheit im Leben der Menschen spielt. Der Philosoph Otfried Höffe widmet sich dem Thema „Verzicht“ – nicht als Mangel, sondern als möglicher utopischer Weg zu mehr Freiheit und Gerechtigkeit. Diese Überlegungen lassen sich gut mit aktuellen Fragen nach Konsum, Nachhaltigkeit und persönlicher Lebensführung verbinden.

Ein weiteres Kapitel befasst sich mit der Ambivalenz historischer Denkmäler. Robert Walser und Katharina Weigand hinterfragen kritisch, wie wir heute mit Monumenten wie Bismarck- oder Kriegerdenkmälern umgehen wollen. Was einst zur kollektiven Identitätsbildung diente, erscheint heute oft als Ausdruck überkommener Ideologien. Diese Auseinandersetzung ist nicht nur für den Geschichtsunterricht relevant, sondern kann auch im Religions- und Ethikunterricht als Ausgangspunkt dienen, um über Erinnerung, Verantwortung und die Konstruktion von Identität zu sprechen.

Abgerundet wird das Heft durch kürzere Berichte zur Ausstellung von Erwin Pfrang, zur Rolle der katholischen Akademien als Orte freier Debatte, zur medialen Öffentlichkeit in Krisenzeiten sowie zu aktuellen Fragen des Synodalen Wegs. Besonders hervorzuheben ist die Haltung der Redaktion selbst: Bildung, kritische Reflexion und eine offene Streitkultur werden als Grundpfeiler einer verantwortungsbewussten, dialogfähigen Gesellschaft verstanden. Gerade in einer Zeit, in der Polarisierung und Misstrauen gegenüber Wissenschaft und Institutionen zunehmen, sieht sich die Kirche in der Verantwortung, Räume für respektvolle, argumentationsbasierte Debatte zu öffnen – auch und gerade im Bildungsbereich.

Für Lehrkräfte bedeutet das: Dieses Heft ist eine Fundgrube an authentischen Stimmen, historischen Quellen, theologischen Impulsen und gesellschaftlich relevanten Fragestellungen. Es eignet sich für projektorientierten Unterricht, thematische Module oder fächerübergreifende Einheiten – mit starkem Gegenwartsbezug und einem klaren Bildungsauftrag.


Fragestellungen:

I. Jüdisches Leben in Deutschland (Knobloch, Brenner, Zadoff)

Welche Bedeutung hat die Zahl „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ – und warum ist sie mehr als nur ein historisches Datum?

Wie beschreibt Charlotte Knobloch die aktuelle Lage jüdischer Gemeinden in Deutschland – zwischen Hoffnung und Sorge?

Welche Rolle spielt Bildung laut Knobloch im Kampf gegen Antisemitismus?

Welche historischen Brüche und Kontinuitäten jüdischen Lebens in Bayern stellt Michael Brenner heraus?

Welche regionalen Besonderheiten jüdischer Geschichte in Bayern lassen sich aus Brenners Beitrag erkennen (z. B. Fürth, Sulzbach, München)?

Warum ist laut Mirjam Zadoff Antisemitismus kein „jüdisches Problem“?

Welche Parallelen sieht Zadoff zwischen dem Antisemitismus der 1920er Jahre und heutigen Erscheinungsformen?

Wie kann aus Begegnung, wie sie im Gespräch zwischen Bundeswehr und Zadoff geschah, Veränderung entstehen?


II. Theologische und ethische Themen (Erlösung, Verzicht, Feindesliebe)

Was bedeutet „Erlösung“ im christlichen Sinn – und warum ist sie heute noch relevant?

Inwiefern ist die Sehnsucht nach Erlösung auch eine anthropologische oder psychologische Konstante?

Wie kann man den Begriff „Verzicht“ als ethische Utopie denken – entgegen einem Konsumverständnis von Freiheit?

Welche biblischen oder philosophischen Traditionen lassen sich mit dem Konzept des freiwilligen Verzichts verknüpfen?

Sind Soldaten zur Feindesliebe verpflichtet? – Welche theologischen und ethischen Argumente werden in der Diskussion herangezogen?


III. Erinnerungskultur und Denkmäler (Walser, Weigand)

Warum sind Denkmäler „ambivalent“ – und wie verändert sich ihre Bedeutung über die Zeit?

Welche konkreten Beispiele problematischer Denkmäler in Deutschland werden genannt – und wie könnte man damit umgehen?

Inwiefern kann der Umgang mit Denkmälern als Spiegel des gesellschaftlichen Geschichtsbewusstseins gelten?

Was unterscheidet „Erinnerung“ von „Verherrlichung“ – und wie erkennt man diesen Unterschied?


IV. Gesellschaft und Kirche im Dialog (Editorial, Synodaler Weg, Debattenkultur)

Warum, so das Editorial, braucht unsere Gesellschaft mehr Debatte – und woran krankt der öffentliche Diskurs?

Welche Rolle kann die Kirche als „Bildungsreligion“ in polarisierten Zeiten spielen?

Welche Entwicklungen und Fortschritte beschreibt der Beitrag zum Synodalen Weg – und was bedeutet das für innerkirchliche Debatten?

Was ist mit „Debattenkultur“ gemeint – und wie kann diese konkret in Bildungseinrichtungen gestärkt werden?

Wie lässt sich eine Balance finden zwischen „Redefreiheit“ und dem Schutz vor diskriminierenden Aussagen?


V. Interdisziplinäre, kreative oder projektorientierte Fragestellungen

Wie könnte ein Schulprojekt aussehen, das 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland sichtbar macht?

Welche Bedeutung haben religiöse Feste (wie Jom Kippur, Simchat Tora) für jüdische Identität – und was lässt sich daraus für andere Religionen lernen?

Inwiefern können persönliche Biografien (wie die von Charlotte Knobloch oder Kurt Landauer) helfen, Geschichte „nahbar“ zu machen?

Welche Formen der Erinnerungskultur sind für die heutige junge Generation geeignet – und warum?

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