[0:00–1:10] Begrüßung und Vorstellung des Themas
Thema: Das Aschure-Fest – ein bedeutendes Fest der Aleviten.
Interviewgast: Jas Karamann, Islamwissenschaftler, Bildungsreferent und Geschäftsführer der Alevitischen Jugend NRW.
[1:11–3:50] Entwicklung des Alevitentums in Deutschland
Aleviten seit den 1960ern in Deutschland.
Lange Zeit Unsichtbarkeit wegen historischer Verfolgung.
Erste öffentliche Kulturwoche: 1989 in Hamburg.
Wendepunkt: 1993 – Brandanschlag in Sivas → massive Gründung von Gemeinden.
Gründung des Dachverbands: Alevitische Gemeinde Deutschland.
[3:51–6:30] Von Kulturvereinen zur Religionsgemeinschaft
Anfangs: politische Protestvereine gegen Ankara (Türkei).
Ab 2007: Anerkennung als Religionsgemeinschaft in NRW.
Einführung des alevitischen Religionsunterrichts.
[6:31–9:00] Aschure-Fest: Einordnung und Bedeutung
Kein einziges „zentrales“ Fest, aber Aschure ist sehr wichtig.
Symbolisiert Gedenken, Trauer, Hoffnung und Gemeinschaft.
[9:01–12:10] Aschure – Bedeutung, Ursprung, Süßspeise
„Aschure“ = Süßspeise mit Weizen, Trockenfrüchten, Nüssen.
Zubereitung am 13. Tag nach einer 12-tägigen Fastenzeit (Moharrem-Fasten).
Symbolik: 12 Zutaten = 12 Imame.
[12:11–14:30] Zwei Ursprünge der Aschure-Tradition
Variante 1: Gedenken an den 10. Muharrem (arabisch Ashura) – Todestag Hüseins.
Variante 2: Noah-Hızır-Tradition → Dankbrei nach der Arche-Noah-Geschichte.
[14:31–17:15] Der mythische Helfer Hızır
Zentrale Figur: Hızır – „Proto-Alevit“, Sinnbild für Hilfsbereitschaft.
Noah betet zu Hızır → erhält Zutaten für den ersten Aschure-Brei.
[17:16–19:00] Alternative sprachliche Herleitung
Asch = Suppe / Nahrung, Re = Weg → „Suppe des Weges“.
Bedeutung: Weitergabe und Bewahrung des alevitischen Wegs (Yol).
[19:01–22:00] Hüseyin, Kerbela und die Spaltung im Islam
Hüseyin: Enkel von Mohammed, ermordet 680 in Kerbela.
Trennung von Sunniten (Abu Bakr) und Schiiten (Ali-Partei).
Hüseyin steht symbolisch für Widerstand gegen Machtmissbrauch.
[22:01–25:00] Vorislamische Fastentraditionen im Alevitentum
Ursprung der Fastenzeit reicht zurück bis vor den Islam.
„Dankfasten“: Verzicht als Wertschätzung für das Leben.
Spätere Umdeutung: Fasten für die 12 Imame (darunter Hüseyin).
[25:01–27:00] Unterschiede zu schiitischem Fasten
Schiiten: Trauern, aber kein Fasten im Muharrem.
Aleviten: Fasten als Gedenken, Reinigung und Dank.
Fasten als persönliche Absicht („Niyet“).
[27:01–29:00] Alevitisches Fasten im Alltag
Kein Fleisch während der gesamten 12 Tage – auch abends nicht.
Nachhaltiger Effekt: Manche Aleviten bleiben dauerhaft vegetarisch.
Ziel: Bewusstes, solidarisches, gemeinschaftliches Leben.
[29:01–31:00] Gemeinsame Praxis im Cemhaus
Treffen zum Fastenbrechen mit Brot, Suppe, Geschichten, Dichtung.
Symbolik: Brotbrechen erinnert an christliche Eucharistie.
Erzählungen über Moses, Jesus, Hüseyin etc.
[31:01–33:00] Alevitische Theopoesie & Musik
Lieder auf Langhalslaute (Bağlama/Saz) vermitteln Religion.
Beispiel: Pir Sultan Abdal – Dichter, Widerstand gegen die Osmanen.
Leitmotiv: Glaube als Widerstand gegen Ungerechtigkeit.
[33:01–36:00] Kalender und Zeitrechnung
Aschure-Fest nach islamischem Mondkalender (1. Monat = Muharrem).
Rückt jedes Jahr ca. 10 Tage vor.
Weitere alevitische Feste orientieren sich am julianischen Kalender.
[36:01–38:00] Weitere Fastenzeiten: Hızır-Fasten
Hızır-Fasten im Februar – jeweils Dienstag bis Donnerstag, 4 Wochen.
Erinnerung an Noahs Gebet und Rettung durch Hızır.
Integration vorislamischer Kulturen (z. B. byzantinisch).
[38:01–41:00] Religiöser Kalender im Alevitentum
Kombination aus julianischem und islamischem Kalender.
Alle Feste außer Aschure richten sich nach dem julianischen Kalender.
Das zeigt die pluralen kulturellen Wurzeln des Alevitentums.
[41:01–43:29] Fazit: Aschure als gelebte Ethik
Fastenzeit ist auch eine Schule des Lebens.
Lehren: Teilen, Gerechtigkeit, Mitgefühl, Gemeinschaft.
Alevitentum: Nur gemeinschaftlich lebbar, nicht individualistisch.