Über den Reichtum der Kirche (Sendung Glaubenskompass)
Im Interview wird die verbreitete Kritik behandelt, der Vatikan sei unermesslich reich und tue zu wenig gegen Armut. Dr. Josef Bordat, Philosoph und Publizist, widerspricht dieser pauschalen Darstellung differenziert:
Relativer Reichtum des Vatikans:
Das geschätzte Vermögen des Vatikan beträgt rund 6 Milliarden US-Dollar. Im Vergleich dazu entgehen dem Staat jährlich ca. 250 Milliarden US-Dollar durch Steuerflucht, und die reichsten 1500 Menschen besitzen zusammen über 6 Billionen US-Dollar. Im Verhältnis dazu sei der Vatikan „recht arm“.
Kunstschätze und Immobilien:
Ein Großteil des Kirchenvermögens ist unveräußerlich, etwa Kunstwerke, die als Kulturgut der Menschheit gelten. Auch wenn man veräußerbares Vermögen wie Immobilien verkaufen würde, brächte das keinen nachhaltigen Effekt: Aufgeteilt auf alle Armen der Welt wären das ca. 34 Dollar pro Person – keine langfristige Lösung.
Soziales Engagement der Kirche:
Die Kirche engagiert sich weltweit in Bildung, Sozialarbeit und Entwicklungshilfe – über Organisationen wie Misereor, Adveniat, Caritas etc. Dies sei ein nachhaltigerer Beitrag zur Armutsbekämpfung als einmalige Vermögensverteilung.
Kirchensteuer und Finanzierung:
Die Kirchensteuer existiert nur in wenigen Ländern (v. a. im deutschsprachigen Raum). In vielen anderen Ländern finanziert sich die Kirche über Spenden. Die Kirchensteuer ermögliche jedoch soziale Leistungen, die allen Menschen zugutekommen, unabhängig von Religion oder Herkunft.
Privatisierung kirchlicher Aufgaben:
Eine Verstaatlichung oder Privatisierung kirchlicher Einrichtungen würde nicht nur hohe Kosten verursachen, sondern auch das Engagement vieler Ehrenamtlicher gefährden, die aus religiöser Motivation heraus tätig sind.
Gleichbehandlung anderer Religionen und Weltanschauungen:
Auch andere Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften (z. B. jüdische Gemeinden, humanistische Verbände) werden gefördert – vorausgesetzt, sie übernehmen gesellschaftliche Aufgaben wie Bildung oder Sozialarbeit.
Jesus und der Umgang mit Geld:
Jesus selbst habe nicht Reichtum per se kritisiert, sondern die Haltung dazu. Entscheidend sei der verantwortungsvolle und gemeinwohlorientierte Umgang mit Geld, nicht dessen bloßer Besitz.