Kirche im Nationalsozialismus
In diesem Gespräch analysiert Dr. Josef Bordat die Rolle der katholischen Kirche im Nationalsozialismus und bewertet zentrale Entwicklungen differenziert:
Widerstand aus dem Glauben:
Es gab katholischen Widerstand gegen das NS-Regime – sowohl von Bischöfen und Priestern als auch von Laien. Ein wesentlicher Grund war das Selbstverständnis als Teil einer Weltkirche, die nicht vollständig vom deutschen Nationalsozialismus vereinnahmt werden konnte – im Gegensatz zu Teilen der evangelischen Kirche („Deutsche Christen“).
Reichskonkordat von 1933:
Das Konkordat zwischen dem Vatikan und dem NS-Staat sollte die katholische Kirche institutionell schützen. Es beruhte auf dem Prinzip: „Ihr lasst uns in Ruhe, wir lassen euch in Ruhe“. Die Kirche verpflichtete sich zur politischen Neutralität, was unter anderem das Ende der Zentrumspartei bedeutete. Im Gegenzug wurde ihr die Ausübung des Glaubens zugesichert. Ob dies ein Fehler war, wird kontrovers diskutiert; Ziel war vor allem Schutz und Überleben der Kirche in Deutschland.
Enzyklika „Mit brennender Sorge“ (1937):
Papst Pius XI. kritisierte darin den Rassismus des NS-Regimes scharf. Inhaltlich bedeutend, politisch aber zu spät (nach den Nürnberger Gesetzen 1935), blieb die Wirkung begrenzt.
Papst Pius XII. („Hitlers Papst“?):
Diese polemische Bezeichnung, u.a. von Daniel Goldhagen, sei historisch unhaltbar. Pius XII. habe im Stillen Tausenden Juden geholfen, etwa durch Unterbringung im Vatikan und kirchlichen Einrichtungen. Sein öffentliches Schweigen wird oft kritisiert, war aber aus damaliger Sicht (z. B. wegen Repressalien wie in Holland) als Schutzmaßnahme gedacht. Zeitgenossen lobten ihn – etwa der Oberrabbiner Roms 1945 – für seine humanitäre Hilfe.
Ursachen des negativen Papstbildes:
Vor allem das Theaterstück „Der Stellvertreter“ (Rolf Hochhuth, 1963) und populärwissenschaftliche Literatur wie die von Goldhagen prägten ein kritisches Bild. Die moderne historische Forschung zeichnet hingegen ein differenzierteres Bild von Pius XII.
Schmutzkampagnen gegen die Kirche:
Dr. Bordat verweist auf heutige Tendenzen, die Kirche pauschal negativ darzustellen – etwa im Zusammenhang mit Missbrauchsskandalen – und warnt vor einer ungerechten Verallgemeinerung.
Fazit:
Die katholische Kirche war in der NS-Zeit eine komplexe Akteurin: institutionell vorsichtig, mit teilweise mutigen Einzelpersonen im Widerstand. Die Beurteilung von Papst Pius XII. und des Konkordats bleibt bis heute umstritten, sollte aber differenziert und historisch fundiert erfolgen.