„Verlogene Transparenz“ – Machtspiele, Pseudoethik und wie wir Wahrheit erkennen können
Dauer: 90 Minuten
Zielgruppe: ab Klasse 10
Voraussetzung: Digitales Whiteboard, Gruppenarbeitsmöglichkeit, Internetzugang optional
I. Einführung (10 Min)
Ziel: Schüler:innen auf das Thema einstimmen und zur persönlichen Relevanz führen
Ablauf: Kurze Umfrage via Mentimeter o.ä.:
„Wer hat schon mal erlebt, dass in der Schule oder im Job viel von Transparenz, flachen Hierarchien oder Empowerment geredet wurde – und es fühlte sich trotzdem nicht ehrlich an?“
Zeige einen 2-minütigen Ausschnitt aus dem Video (z.B. ab „Gratis Cappuccino für alle...“ bis „...die Wahrheit ist meist eine andere“).
Leitfrage an der digitalen Tafel: Was ist „verlogene Transparenz“?
(Brainstorming in Stichworten)
II. Diskussion (20 Min)
Ziel: Kritische Auseinandersetzung mit dem Video und Einführung zentraler Begriffe
Impulse: Was ist Bullshit nach Harry Frankfurt?
Unterschied zur Lüge: Der Bullshitter „kümmert sich nicht darum, ob etwas wahr ist“.
Was ist Macht? Was ist Machtmissbrauch?
Wie wird Sprache als Machtinstrument eingesetzt?
Sozialform: Arbeit in 3 Gruppen à 5 Schüler:innen:
Jede Gruppe bearbeitet einen Begriff anhand eines vorbereiteten kurzen Textes (Frankfurt / Han / Macht).
Ergebnisse werden auf dem Whiteboard präsentiert.
Was ist Macht? Definition: Macht ist die Fähigkeit, das Verhalten oder Denken anderer zu beeinflussen oder zu bestimmen – gegen oder mit ihrem Willen.
Unterscheidung nach Soziologie und Philosophie (u.a. Max Weber):
Macht: Fähigkeit, den eigenen Willen auch gegen Widerstände durchzusetzen.
Herrschaft: Macht, die als legitim anerkannt wird (z. B. durch ein Amt oder eine Rolle).
Autorität: Macht durch Ansehen, Kompetenz oder Vorbildfunktion.
In der Bibel: Macht ist oft ambivalent: Gott wird als allmächtig dargestellt – aber auch als dienender (Phil 2,6–8).
„Wer unter euch groß sein will, der sei euer Diener“ (Mt 20,26).
Jesus kehrt das Machtverständnis radikal um.
Was ist Machtmissbrauch? Definition: Machtmissbrauch ist die ungerechte, unangemessene oder verdeckte Ausnutzung von Macht zum eigenen Vorteil oder zum Nachteil anderer.
Beispiele:
Hierarchien werden genutzt, um Menschen mundtot zu machen.
„Transparenz“ wird vorgetäuscht, um Kontrolle auszuüben.
Religiöse, politische oder ökonomische Systeme dienen nicht mehr dem Gemeinwohl, sondern der Absicherung von Eliten.
Ethisch problematisch, wenn:
Menschenwürde verletzt wird.
Entscheidungen intransparent oder manipulativ getroffen werden.
Verantwortung verschleiert und auf andere abgeschoben wird.
Wie wird Sprache als Machtinstrument eingesetzt?
1. Sprachliche Verschleierung
Begriffe wie „Change Management“, „Empowerment“ oder „Transparenz“ klingen positiv, können aber reale Abhängigkeiten und Kontrolle verdecken.
2. Framing: Wer die Begriffe vorgibt, bestimmt die Denkrahmen.
Beispiel: „Kollateralschaden“ statt „Tote“ in einem Krieg.
3. Sprachspiele und Bullshit (nach Harry Frankfurt)
Inhalte werden mit bedeutungslosen Phrasen zugedeckt, z. B. „Wir machen dich zukunftsfähig“ – ohne echte Mitbestimmung.
4. Sprache als Scheinbeteiligung
Man darf „mitreden“, aber nichts mitentscheiden – dadurch entsteht die Illusion von Einfluss (siehe Video: „alle entscheiden mit – aber nichts ist offen“).
5. Biblischer Kontrast:
„Eure Rede sei: Ja, ja; nein, nein“ (Mt 5,37) – klare, ehrliche Sprache als ethischer Anspruch.
III. Praktische Anwendung: Rollenspiel-Workshop „Das verlogene Teammeeting“ (25 Min)
Ziel: Erleben und Durchschauen von Manipulationsmechanismen
Aufgabe: In Gruppen simulieren die Lernenden ein „Teammeeting“ zum Thema „Wir gestalten Schule neu – flache Hierarchien, offene Kommunikation, Selbstverantwortung“.
Eine Person wird zur „verlogenen Transparenz-Coach:in“ ernannt, deren Ziel es ist, echte Macht zu behalten, aber so zu tun, als ob alle mitentscheiden.
Anleitung: Jede Gruppe bekommt ein Briefing mit typischen Phrasen und manipulativen Sprachtricks aus dem Video.
Die anderen Gruppenmitglieder sollen versuchen, „echte Mitbestimmung“ durchzusetzen.
Antizipiertes Beispiel:
„Hallo zusammen – ich freue mich total, dass wir heute gemeinsam an diesem superwichtigen Projekt arbeiten dürfen! Es geht ja nicht um irgendein Vorhaben – es geht um uns alle, um unsere Zukunft, um echte Teilhabe! Ich möchte, dass ihr heute eure Ideen frei einbringt, denn: Wir gestalten das gemeinsam. Damit wir effizient starten können, habe ich schon mal einen kleinen Rahmen vorbereitet – nur zur Orientierung, ganz flexibel natürlich. Es geht vor allem um folgende drei Punkte: Wie können wir Lernen innovativer gestalten? Was brauchen wir für eine bessere Work-Life-Balance? Wie stärken wir unsere Eigenverantwortung? Ihr seht, das ist euer Raum. Fühlt euch frei, mitzugestalten. Lasst uns direkt sammeln, was euch spontan einfällt – am besten erstmal in Schlagworten. Ich notiere alles, ganz offen. Das geben wir dann gesammelt in die nächste Planungsrunde, wo es weitergeführt wird. Wichtig ist mir: Wir sind ein Team. Ich bin heute nicht die Leitungsperson – ich bin einfach nur Impulsgeber:in. Und denkt dran: Es gibt keine falschen Ideen! Nur Ideen, die noch geschliffen werden müssen.“
Briefing für die „Transparenz-Coach:in“ (geheim!)
Deine Aufgabe ist es, so zu tun, als ob du offen und transparent arbeitest – aber in Wahrheit versuchst du, deine eigenen Vorstellungen durchzusetzen, ohne dass es auffällt.
Nutze dafür diese Phrasen und Tricks: „Wir wollen doch alle das Gleiche, oder?“ „Ich nehme euer Feedback gern auf – das bringe ich dann ins nächste Steuerungsgremium.“ „Das ist euer Projekt – ihr seid die Zukunft!“ „Lasst uns doch gleich mal einige coole Schlagworte sammeln.“ „Wir brauchen dafür jetzt schnell ein gemeinsames Commitment.“ „Wir sind doch ein Team! Wer kann sich noch um die Vorbereitung kümmern?“ „Lasst uns alle mitreden – die Entscheidung treffen wir dann gemeinsam.“ (ohne dass klar ist, wer „wir“ ist) „Ich nehme euer Feedback mit.“ (ohne Rückmeldung, was daraus wird) „Wir brauchen jetzt schnell ein gemeinsames Commitment.“ (Zeitdruck statt Diskussion) „Das ist euer Projekt!“ (aber die Agenda wurde vorher festgelegt) „Das bringen wir dann in die nächste Runde ein.“ (Verzögerungstaktik, keine echte Entscheidungsmacht) „Wir wollen doch alle das Gleiche, oder?“ (verhindert abweichende Meinungen)Trick: Lass andere einfache Aufgaben machen („low-hanging fruits“), während du Entscheidungen vorbereitest.
Dein Ziel ist:
Die Gruppe soll glauben, dass sie mitentscheidet.
Du bestimmst aber subtil die Richtung – z. B. durch die Themenauswahl, Zeitdruck, vage Sprache.
Aufgabe der Teammitglieder
Versucht, echte Mitbestimmung durchzusetzen.
Stellt konkrete Fragen:
Wer trifft am Ende die Entscheidung?
Können wir über alles frei abstimmen?
Warum wurde dieses Thema überhaupt festgelegt?
Achtet auf vage Formulierungen, Ablenkungsmanöver und Pseudo-Offenheit.
Ziel: Erkennt, ob ihr wirklich mitbestimmen könnt – oder ob es sich nur so anfühlt.
Nachbereitung (im Plenum oder per Whiteboard)
Leitfragen zur Reflexion:
Welche Phrasen wurden benutzt, um Kontrolle auszuüben?
Fühltest du dich als Teammitglied wirklich beteiligt?
Was wäre echte Transparenz?
Wie könnte man sich gegen „verlogene Transparenz“ wehren?
Erkenntnis: Sprache dient hier nicht der Verständigung, sondern der Steuerung und Entwaffnung von Kritik.
Fühltest du dich als Teammitglied wirklich beteiligt?
„Nein, es wurde zwar so getan, als ob wir mitentscheiden, aber viele Entscheidungen waren schon vorher getroffen.“
„Ich hatte das Gefühl, dass meine Ideen gesammelt wurden, aber keine echte Wirkung hatten.“
„Die Leitungsperson hat mit schönen Worten gesteuert, wohin es gehen soll.“
Erkenntnis: Beteiligung war eine Illusion – die Machtverhältnisse blieben bestehen.
Was wäre echte Transparenz?
Offenlegung der Entscheidungsprozesse: Wer entscheidet was, wann und warum?
Klare Kommunikation von Zielen und Grenzen
Gleichberechtigter Zugang zu Informationen
Einbeziehung vor der Entscheidung, nicht danach
Möglichkeit zur Kritik, ohne Folgen befürchten zu müssen
Biblischer Bezug: „Eure Rede sei Ja, ja; nein, nein“ (Mt 5,37) – Klarheit statt Doppeldeutigkeit.
Wie könnte man sich gegen „verlogene Transparenz“ wehren?
Durch kritische Rückfragen: Wer entscheidet wirklich? Was passiert mit unserem Input?
Reflexion der Sprache: Phrasen erkennen, enttarnen, hinterfragen
Aufklärung im Team über manipulative Muster
Einfordern von Verbindlichkeit: „Was genau meinst du mit…?“
Mut zur Wahrheit: Auch unbequeme Dinge ansprechen – mit Respekt
Moralische Haltung: Wer die Wahrheit liebt, muss lernen, Unehrlichkeit zu erkennen und höflich, aber bestimmt zu widersprechen.
IV. Präsentation der Gruppen (15 Min)
Jede Gruppe berichtet kurz (2-3 Minuten), was in ihrem Rollenspiel passiert ist.
Digitales Whiteboard: Sammlung von Phrasen und Strategien, die besonders manipulativ wirkten.
V. Reflexion und Zusammenfassung (10 Min)
Leitfragen: Woran erkenne ich, ob jemand ehrlich kommuniziert oder „bullshittet“?
Welche Verantwortung haben wir als Christ:innen oder ethisch denkende Menschen im Umgang mit Wahrheit?
Wie passt Transparenz zu Wahrheit, Vertrauen, Würde?
Zentrale Erkenntnis:
„Transparenz ohne Verantwortung ist Manipulation.“
VI. Hausaufgabe (individuell oder als Essay)
Themenvorschlag:
„Wie kann echte Transparenz aussehen – in Schule, Kirche, Politik oder Unternehmen?“
→ Schreibe eine kurze ethische Reflexion (1–2 Seiten) mit einem biblischen Bezug (siehe unten).
VII. Abschließende Worte (2 Min)
„Jesus sagt: Euer Ja sei ein Ja, euer Nein ein Nein (Mt 5,37).“
Echtheit, Redlichkeit und Wahrheit haben einen Wert – nicht nur religiös, sondern auch menschlich.
Aufruf zur Wachsamkeit: Nicht alles, was „offen“ wirkt, ist wahrhaftig. Wahrheit braucht Rückgrat, nicht PR-Sprech.
VIII. Zusätzliche kreative Ideen
Kunstaktion: „Plakat der Pseudo-Transparenz“ – Gestaltung eines ironischen Werbeplakats für einen fiktiven Change-Workshop mit allen Bullshit-Begriffen.
Philosophie-Sprechtraining: Schüler:innen üben, wie man mit bedeutungsvollen Worten nichts sagt – und wie man es entlarvt.
Debatte: „Wahrheit oder Wirkung – was zählt mehr in der heutigen Welt?“
IX. Bibelzitate zur thematischen Vertiefung
Matthäus 5,37 „Eure Rede sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber hinausgeht, ist vom Bösen.“
Johannes 8,32 „Die Wahrheit wird euch frei machen.“
Sprüche 12,22 „Lügen sind dem HERRN ein Gräuel; die aber treu handeln, gefallen ihm.“
Epheser 4,25 „Darum legt die Lüge ab und redet die Wahrheit, ein jeder mit seinem Nächsten.“