Die Materialien sind nicht als ausgearbeitete Unterrichtsbausteine konzipiert, sondern schlagen drei thematisch geordnete Textauszüge (M1–M3) mit kurzen Kommentaren vor. Diese Einordnung erläutert die jeweiligen inhaltlichen Schwerpunkte, weist auf mögliche Verständnisprobleme hin und bietet konkrete Arbeitsaufträge, mit denen die Schüler:innen die Inhalte erschließen und reflektieren können.
Der erste Themenbereich trägt den Titel „Eros und Agape – Vergällt uns die Kirche mit ihren Geboten und Verboten nicht das Schönste im Leben?“ und behandelt die unterschiedlichen Formen der Liebe, wie sie in der Enzyklika thematisiert werden: Eros als sinnlich-begehrende Liebe, Philia als freundschaftliche Zuneigung und Agape als göttlich geprägte, selbstlose Liebe. Ziel ist es, die Einheit dieser verschiedenen Dimensionen von Liebe herauszuarbeiten und deren Bedeutung für den Glauben verständlich zu machen. Arbeitsaufträge regen dazu an, die Begriffe visuell darzustellen, zentrale Aussagen zu analysieren und zu beurteilen, wie Jugendliche diese Unterscheidungen heute wahrnehmen.
Der zweite Themenbereich fragt: „Können wir Gott überhaupt lieben, den wir doch nicht sehen?“ und behandelt die enge Verbindung zwischen Gottes- und Nächstenliebe. Die Enzyklika betont, dass die Liebe zu Gott im Dienst am Nächsten konkret erfahrbar wird. Da Gott nicht sinnlich erfahrbar ist, eröffnet sich die Möglichkeit der Gottesbegegnung insbesondere im Handeln am Mitmenschen. Weitere Orte der Gotteserfahrung sind das Wort Gottes und die Sakramente, insbesondere die Eucharistie. Dabei wird deutlich gemacht, dass sich in der tätigen Nächstenliebe eine Willensgemeinschaft zwischen Gott und Mensch entwickeln kann. Für viele Schüler:innen, die mit kirchlichen Riten wenig vertraut sind, stellt die alltägliche Nächstenliebe oft den einzigen konkreten Bezugspunkt dar. Diskussionsanregungen und Methoden wie das Placemat-Verfahren helfen den Lernenden, sich dieser komplexen Beziehung zwischen Liebe, Glaube und Gottesbild anzunähern und unterschiedliche Perspektiven – etwa von gläubigen und nichtgläubigen Menschen – zu vergleichen.
Der dritte Themenbereich „Wir brauchen die Zuwendung der Herzen“ erweitert die Perspektive auf die gesellschaftliche Dimension christlicher Nächstenliebe. Es wird der Unterschied zwischen allgemeinem sozialstaatlichem Engagement und der caritativen Tätigkeit der Kirche herausgearbeitet. Drei zentrale Aspekte werden dabei hervorgehoben: die persönliche Zuwendung und Menschlichkeit (a), die ideologiefreie und gegenwartsbezogene Tat ohne utopische Weltverbesserungsideen (b) sowie die absichtslose Hilfe, die nicht an Mission oder Nutzen gebunden ist (c). Diese Unterscheidungen ermöglichen es, das spezifische Selbstverständnis kirchlicher Caritas zu erfassen und mit anderen Formen sozialen Engagements zu vergleichen. Entsprechende Arbeitsaufträge fordern die Schüler:innen auf, kontroverse Thesen zu diskutieren und die Unterschiede in Partner- oder Gruppenarbeit kritisch zu beurteilen.
Insgesamt bietet das Material einen anspruchsvollen, aber lohnenden Zugang zur theologischen und ethischen Reflexion. Es eignet sich besonders für den Einsatz in der Oberstufe im Rahmen der Themenbereiche Gottesbild, Liebe, soziale Gerechtigkeit und christliche Ethik. Die Auswahl der Texte und Aufgaben erlaubt auch interdisziplinäre Verbindungen, etwa mit Ethik, Sozialwissenschaften oder Philosophie. Trotz der sprachlichen und inhaltlichen Dichte der Enzyklika ist es durch die gezielte Auswahl und die didaktische Reduktion möglich, Lernenden einen Zugang zu zentralen Glaubensinhalten und deren Bedeutung für das eigene Leben und gesellschaftliches Handeln zu eröffnen.
Fragen zum ersten Text: Eros und Agape
Verständnisfragen:
Welche drei griechischen Begriffe für Liebe werden im Text unterschieden und wie werden sie beschrieben?
Warum verwendet das Neue Testament vor allem den Begriff Agape und nicht Eros?
Wie wird die Haltung Friedrich Nietzsches zur christlichen Sichtweise der Liebe charakterisiert?
Was ist mit dem „sprachlichen Beiseiteschieben von Eros“ gemeint?
In welchem Sinne beschreibt der Text Liebe als „Ekstase“?
Was bedeutet es, dass Liebe Endgültigkeit und Ausschließlichkeit will?
Deutungs- und Reflexionsfragen:
Wie unterscheiden sich Eros und Agape nach christlichem Verständnis?
Welche Kritik wird an der christlichen Sichtweise auf Sexualität und Liebe geübt – und wie begegnet die Enzyklika dieser Kritik?
Was meint der Text mit dem „ständigen Weg aus dem in sich verschlossenen Ich“ im Zusammenhang mit Liebe?
Warum kann der Mensch laut dem Text nicht nur schenkend (Agape), sondern muss auch empfangend lieben?
Transferfragen:
Welche Rolle spielen die Begriffe Eros und Agape im heutigen Liebesverständnis Jugendlicher?
Inwiefern hilft dir der Text, die Unterschiede zwischen weltlicher und christlich geprägter Liebe besser zu verstehen?
Kannst du eine Situation beschreiben, in der sich Eros und Agape ergänzt haben – aus deinem Leben oder aus einem bekannten Beispiel?
Welche Bedeutung hat der Bezug auf Jesus Christus als Quelle der Liebe für die christliche Vorstellung von Liebe?
Kritisch-analytische Fragen:
Ist es heute noch sinnvoll, zwischen Eros und Agape zu unterscheiden – oder sollte man Liebe als Einheit betrachten?
Wie plausibel findest du die These, dass Liebe auf Ewigkeit und Selbsthingabe zielt?
Was spricht für und was gegen die Vorstellung, dass „die Kirche das Schönste im Leben vergällt“?
Inwiefern kann der biblische Liebesbegriff eine Antwort auf moderne Beziehungskrisen sein?
Fragen zum Unterrichtstext „Können wir Gott überhaupt lieben, den wir doch nicht sehen?“ – Gottesliebe und Nächstenliebe:
Verständnisfragen:
Welche beiden Einwände gegen das Doppelgebot der Liebe werden im Text genannt?
Wie beantwortet der Erste Johannesbrief die Frage, ob man Gott lieben kann, den man nicht sieht?
In welcher Weise macht sich Gott laut dem Text für den Menschen „sichtbar“?
Welche Rolle spielt Jesus Christus in der „Sichtbarkeit“ Gottes?
Was ist laut dem Text mit der „Willensgemeinschaft“ zwischen Gott und Mensch gemeint?
Deutungs- und Reflexionsfragen:
Warum reicht ein reines Liebesgefühl nicht aus, um von echter Liebe im christlichen Sinn zu sprechen?
Wie kann die Erkenntnis Gottes zu einem ganzheitlichen Akt der Liebe führen?
Was bedeutet es, dass Gottesliebe und Nächstenliebe „nur ein Gebot“ sind?
Welche Gefahren entstehen laut dem Text, wenn entweder Gottesliebe oder Nächstenliebe im Leben fehlt?
Inwiefern verändert sich die Sicht auf andere Menschen, wenn man sie „aus der Perspektive Jesu Christi“ betrachtet?
Transferfragen:
Kannst du dir vorstellen, jemanden zu lieben, den du gar nicht kennst oder zunächst unsympathisch findest – wie es der Text beschreibt?
Wie zeigt sich für dich im Alltag, dass Gottesliebe und Nächstenliebe zusammengehören?
Wo begegnet dir im heutigen Leben eine Haltung, die Nächstenliebe ohne Gottesbezug praktiziert – oder umgekehrt eine Gottesbeziehung ohne soziales Engagement?
Was denkst du über die Aussage: „Nur der Dienst am Nächsten öffnet mir die Augen dafür, was Gott für mich tut und wie er mich liebt“?
Kritisch-analytische Fragen:
Ist es überzeugend zu sagen, dass Gottes Gebote keine äußeren Vorschriften, sondern innere Erfahrungen der Liebe sind? Warum (nicht)?
Kann Liebe im religiösen Sinn wirklich geboten werden, oder ist sie – wie viele meinen – ausschließlich Gefühlssache?
Welche Rolle spielen Sakramente und Liturgie im Text für das Erleben von Gottes Liebe – und ist das für junge Menschen heute nachvollziehbar?
Inwiefern fordert der Text eine aktive Veränderung im Denken und Handeln gegenüber anderen Menschen?
Fragen zum Text "Wir brauchen die Zuwendung der Herzen"
Verständnisfragen:
Warum ist der Imperativ der Nächstenliebe laut dem Text in der menschlichen Natur verankert?
Welche Aufgabe haben kirchliche karitative Organisationen laut Abschnitt (a)?
Warum reicht berufliche Kompetenz allein für die christliche Liebestätigkeit nicht aus?
Was meint der Text mit „Herzensbildung“ in der caritativen Arbeit?
Warum soll christliche Liebestätigkeit laut Abschnitt (b) unabhängig von Ideologien sein?
Was ist die Kritik des Marxismus an karitativer Hilfe, und wie wird sie im Text zurückgewiesen?
Was bedeutet es, dass das „sehende Herz“ das Programm Jesu ist?
Warum darf laut Abschnitt (c) Nächstenliebe nicht als Mittel zur Missionierung verwendet werden?
Inwiefern kann Liebe ein Zeugnis für Gott sein, selbst wenn nicht über Gott gesprochen wird?
Deutungs- und Reflexionsfragen:
Was ist der Unterschied zwischen technisch korrekter Hilfe und echter Nächstenliebe?
Inwiefern ist die Begegnung mit Christus laut dem Text eine Voraussetzung für echte Nächstenliebe?
Wie kann man heute in einer säkularen Gesellschaft das „sehende Herz“ leben?
Was bedeutet es, dass die Liebe umsonst ist? Wie steht das im Gegensatz zu zweckgebundener Hilfe?
Wie lässt sich Nächstenliebe als Ausdruck von Glauben leben, ohne andere zu missionieren?
Transferfragen:
Kennst du Beispiele aus deinem Alltag oder aus den Medien, in denen Hilfe zwar professionell, aber ohne Herz geschieht?
Wo findest du in deinem Umfeld Formen von Nächstenliebe, die wirklich „von innen heraus“ geschehen?
Wie reagierst du auf die Aussage, dass manche Hilfe die Veränderung der Welt sogar behindern kann?
Wie kannst du persönlich unabhängig von Parteizielen oder Weltanschauungen Gutes tun?
Wann ist es in deiner Erfahrung angebracht, über den Glauben zu sprechen – und wann nicht?
Kritisch-analytische Fragen:
Ist es realistisch, dass caritative Arbeit immer absichtslos bleibt?
Kann kirchliche Hilfe glaubwürdig sein, wenn sie gleichzeitig Teil einer religiösen Organisation ist?
Wie lässt sich die Gefahr vermeiden, dass kirchliches Handeln als bloße Variante des Wohlfahrtsstaates wahrgenommen wird?
Welche Bedeutung hat es für den Text, dass Gott in der Liebe selbst gegenwärtig ist – unabhängig vom Reden über ihn?