Das Ontologische Argument Anselms – Philosophische Beweise für die Existenz Gottes
90 Minuten
Ziel: Die Schüler sollen das ontologische Argument Anselms verstehen, kritisch reflektieren und auf heutige Glaubensfragen anwenden können.
I. Einführung (15 Minuten)
Warm-up: Beginnen Sie die Stunde mit der Frage:
„Kann man die Existenz Gottes beweisen? Warum oder warum nicht?“
Sammeln Sie die spontanen Meinungen der Schüler an der Tafel.
Video-Clip: Zeigen Sie einen 5-minütigen Ausschnitt aus dem Video, der das ontologische Argument erklärt (z. B. 00:01:03-00:01:33).
Impulse: Fassen Sie zusammen:
Anselms Definition: „Gott ist das, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann.“
Kernfrage: Ist Gottes Existenz logisch notwendig?
1. Argumente für die logische Notwendigkeit Gottes:
Ontologisches Argument (Anselm): Gott wird als das Wesen definiert, „über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann“. Anselm argumentiert, dass ein solcher Gott existieren muss, da Existenz ein Teil der maximalen Größe ist. Ohne Existenz wäre Gott nicht das größte vorstellbare Wesen.
Modallogik (Gödel): In der modalen Logik wird argumentiert, dass, wenn die Existenz eines vollkommenen Wesens möglich ist, sie auch notwendig ist. Ein vollkommenes Wesen kann in keiner möglichen Welt nicht existieren.
Kontingenz-Argument: Alles Existierende in der Welt ist kontingent (könnte auch nicht existieren). Es muss ein notwendiges Wesen geben, das die Existenz des kontingenten Universums erklärt – dies wird oft als Gott bezeichnet.
2. Argumente gegen die logische Notwendigkeit Gottes:
Kritik am ontologischen Argument (Gaunilo): Gaunilo zeigt mit der Analogie der „perfekten Insel“, dass die Logik Anselms nicht zwingend nur für Gott gilt, sondern auch für hypothetische, aber absurde Ideen.
Thomas von Aquin: Thomas argumentiert, dass der Mensch Gottes Wesen nicht vollständig verstehen kann. Daher ist es unmöglich, logisch zwingend auf seine Existenz zu schließen.
Naturalismus: Viele Wissenschaftler und Philosophen sehen keinen Grund für ein notwendiges Wesen, da die Naturgesetze und physikalischen Prozesse das Universum hinreichend erklären könnten.
3. Fazit:
Ob Gottes Existenz logisch notwendig ist, hängt davon ab:
Ob man die Definition Gottes akzeptiert: Wenn man Gott als „notwendig existierend“ definiert, wird die Notwendigkeit Teil dieser Definition.
Ob die Argumente überzeugend sind: Für Gläubige kann das ontologische Argument sehr stark wirken, während Skeptiker es als zu abstrakt oder zirkulär ablehnen.
Die Frage bleibt letztlich offen, da sie stark von persönlichen Überzeugungen und philosophischen Ansätzen abhängt. Sie bietet jedoch einen faszinierenden Ausgangspunkt für Diskussionen über Logik, Glaube und Existenz.
II. Diskussion (20 Minuten)
Debatte vorbereiten: Teilen Sie die Klasse in zwei Gruppen:
Pro-Anselm: Argumentiert, dass Gottes Existenz aus seiner Definition folgt.
Contra-Anselm: Stützt sich auf die Kritik von Gaunilo (perfekte Insel) und Thomas von Aquin (keine direkte Gotteserkenntnis möglich).
Debatte führen: Jede Gruppe hat 5 Minuten Vorbereitungszeit und je 3 Minuten Redezeit, gefolgt von einer offenen Diskussion.
Moderation: Leiten Sie die Debatte und notieren Sie Hauptargumente.
III. Praktische Anwendung (20 Minuten)
Aufgabe: In Kleingruppen entwickeln die Schüler kreative Darstellungen, wie das Argument Anselms auf moderne Fragen übertragen werden könnte, z. B.:
Philosophisch: Gibt es heute Argumente für oder gegen die Notwendigkeit Gottes?
Technologisch: Wie würde ein KI-System „Gott“ definieren?
Alltagsbezug: Welche Rolle spielt Anselms Argument in persönlichen Glaubensentscheidungen?
Materialien: Papier, Stifte, Tablets für Recherchen (falls verfügbar).
Antizipierte Antworten auf die Fragen:
Philosophisch: Gibt es heute Argumente für oder gegen die Notwendigkeit Gottes?
Für die Notwendigkeit Gottes:
Anthropisches Prinzip: Die Feinabstimmung des Universums deutet auf eine intelligente Ursache hin. Viele Philosophen und Theologen sehen darin einen Hinweis auf Gott.
Existenz von Moral: Der objektive Charakter von Moral wird oft als Argument für einen übernatürlichen Gesetzgeber angeführt.
Kontingenzargument: Alles im Universum scheint kontingent (abhängig) zu sein. Gott wird hier als notwendiges Sein gesehen, das alle Kontingenz erklärt.
Gegen die Notwendigkeit Gottes:
Naturalismus: Viele glauben, dass alle Phänomene durch natürliche Ursachen erklärt werden können, ohne die Annahme eines übernatürlichen Wesens.
Problem des Bösen: Die Existenz von Leiden und Ungerechtigkeit wird oft als Widerspruch zur Existenz eines allmächtigen und guten Gottes gesehen.
Humanistischer Ansatz: Menschen können bedeutungsvolle Werte und Moral auch ohne Gott schaffen.
Technologisch: Wie würde ein KI-System „Gott“ definieren?
Ein KI-System würde „Gott“ vermutlich basierend auf Dateneingaben und logischen Strukturen definieren. Beispiele:
Ontologischer Ansatz: Die KI könnte „Gott“ als das ultimative Konzept von Macht, Wissen und Existenz definieren, das in den meisten religiösen und philosophischen Kontexten vorkommt.
Kultureller Kontext: Auf Grundlage einer Datenanalyse könnte die KI Gott als eine kulturelle und historische Konstruktion verstehen, die in verschiedenen Gesellschaften unterschiedliche Formen angenommen hat.
Logischer Ansatz: Inspiriert von Anselm könnte die KI definieren: „Gott ist das Wesen, dessen Existenz notwendig ist, um alle anderen Definitionen zu erklären.“
Neutralität: Die KI könnte eine agnostische Haltung einnehmen, da „Gott“ empirisch nicht überprüfbar ist.
Alltagsbezug: Welche Rolle spielt Anselms Argument in persönlichen Glaubensentscheidungen?
Stärkung des Glaubens: Für Gläubige kann das Argument eine rationale Grundlage bieten, um ihren Glauben zu rechtfertigen. Es zeigt, dass der Glaube nicht nur gefühlsbasiert, sondern auch logisch fundiert sein kann.
Anstoß für Zweifel: Skeptiker könnten das Argument hinterfragen und es als Anlass nehmen, den Glauben kritisch zu reflektieren.
Diskussionsgrundlage: Es dient als Gesprächs- und Reflexionsgrundlage in interreligiösen oder philosophischen Diskussionen.
Existenzfragen: Es inspiriert, über die Grenzen menschlichen Denkens hinauszugehen und sich mit der Frage nach dem „ultimativen Grund“ auseinanderzusetzen.
Praktischer Glaube: Für viele bleibt das Argument ein abstrakter Ansatz, der jedoch im persönlichen Glauben nicht die Rolle des individuellen Vertrauens in Gott ersetzt.
IV. Präsentation der praktischen Anwendung (15 Minuten)
Vortrag: Jede Gruppe präsentiert ihre Ergebnisse (max. 3 Minuten pro Gruppe).
Feedback: Diskutieren Sie mit der Klasse, welche Ansätze am überzeugendsten sind.
V. Reflexion und Zusammenfassung (10 Minuten)
Reflexion: Bitten Sie die Schüler, die folgende Frage schriftlich zu beantworten:
„Hat das ontologische Argument Ihren Glauben oder Ihre Sichtweise verändert? Warum oder warum nicht?“
1. Veränderung des Glaubens oder der Sichtweise:
Das Argument kann den Glauben stärken, weil es zeigt, dass die Existenz Gottes nicht nur eine Frage des Glaubens, sondern auch der Logik und Philosophie sein kann. Es eröffnet die Möglichkeit, dass der Glaube an Gott nicht irrational ist, sondern auf einer durchdachten Grundlage stehen kann. Für manche Schüler kann dies ermutigend sein, weil es die Idee unterstützt, dass Glaube und Vernunft miteinander verbunden sind.
2. Keine Veränderung:
Für andere mag das Argument keine große Wirkung haben, weil es abstrakt bleibt und die persönliche Gotteserfahrung nicht ersetzt. Einige könnten denken, dass es nicht überzeugend genug ist, da es auf einer Definition basiert, die man nicht zwangsläufig akzeptieren muss. Kritiker wie Gaunilo oder Thomas von Aquin zeigen, dass das Argument nicht universell gültig ist und alternative Sichtweisen auf Gott zulässt.
Zusammenfassung: Stellen Sie die Hauptpunkte des Arguments und der Diskussion noch einmal zusammen:
Definition und Logik von Anselms Argument
Kritikpunkte von Gaunilo und Thomas von Aquin
Bedeutung für den heutigen Glauben
VI. Hausaufgabe
Aufgabe: Schreiben Sie einen kurzen Essay (ca. 250 Wörter) zu einer der folgenden Fragen:
„Ist der Glaube an Gott rational?“
„Welche Schwächen hat das ontologische Argument Anselms, und wie könnten diese gelöst werden?“
Kreativ-Alternative: Entwickeln Sie eine Illustration oder ein Meme, das die Kernaussage des Arguments widerspiegelt.
VII. Abschließende Worte (5 Minuten)
Betonen Sie die Bedeutung des Nachdenkens über Glaubensfragen:
„Das ontologische Argument zeigt, wie tief Glaube und Vernunft verbunden sein können. Die Frage nach Gott bleibt offen, weil sie uns herausfordert, weiterzudenken.“
VIII. Zusätzliche kreative Ideen
Philosophischer Podcast: Schüler können in Gruppen eine Podcast-Folge zu „Anselms Argument heute“ aufnehmen.
Simulationsspiel: Ein Schüler spielt Anselm, ein anderer Gaunilo. Die Klasse entscheidet, wer überzeugt.
Kunstprojekt: Malen oder skizzieren Sie eine „perfekte Insel“ – und reflektieren Sie, warum sie nicht existiert.
IX. Bibelzitate
Psalm 19,2: „Die Himmel erzählen die Herrlichkeit Gottes, und das Himmelsgewölbe verkündet seiner Hände Werk.“
Hebräer 11,1: „Der Glaube aber ist eine Verwirklichung dessen, was man hofft, ein Überführtsein von Dingen, die man nicht sieht.“
Johannes 1,1-3: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.“
Fragestellungen zum Video „Das Ontologische Argument Anselms“
Was ist das zentrale Konzept des ontologischen Arguments?
Zeitstempel: 00:00:32
Antwort: Das ontologische Argument basiert auf der Idee, dass Gottes Existenz notwendig ist und aus der Definition des Seins abgeleitet werden kann.
Wie definiert Anselm Gott in seinem Argument?
Zeitstempel: 00:01:03
Antwort: Anselm definiert Gott als „das, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann“.
Wie widerlegt Gaunilo das Argument Anselms?
Zeitstempel: 00:01:33
Antwort: Gaunilo parodiert das Argument, indem er die Idee einer perfekten Insel einführt, die genauso existieren müsste, wenn Anselms Logik korrekt wäre.
Welche Kritik äußerte Thomas von Aquin am ontologischen Argument?
Zeitstempel: 00:03:45
Antwort: Thomas von Aquin argumentiert, dass das Argument nur funktionieren würde, wenn der Mensch die Natur Gottes direkt erkennen könnte, was unmöglich ist.
Welche Rolle spielt René Descartes in der Weiterentwicklung des Arguments?
Zeitstempel: 00:05:12
Antwort: Descartes verwendet das Argument, um aus seinem methodischen Zweifel eine Brücke zur Existenz eines guten Gottes zu schlagen, der keine Täuschung zulässt.
Quiz: Das Ontologische Argument Anselms
Frage 1: Welches Hauptmerkmal unterscheidet das ontologische Argument von anderen Gottesbeweisen?
A) Es stützt sich auf Beobachtungen der Natur.
B) Es basiert auf der Definition und dem Verständnis des Seins.
C) Es verwendet historische Dokumente als Beweis.
D) Es argumentiert aus moralischen Grundsätzen.
Frage 2: Was ist laut Anselms Definition Gott?
A) Ein Wesen, das größer ist als der Kosmos.
B) Das Wesen, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann.
C) Eine metaphysische Vorstellung ohne Realität.
D) Ein perfektes Wesen, das nur in Gedanken existiert.
Frage 3: Wie widerlegte Gaunilo Anselms Argument?
A) Mit einer Parodie über eine perfekte Insel.
B) Durch den Verweis auf wissenschaftliche Daten.
C) Durch einen Vergleich mit kosmologischen Argumenten.
D) Mit der These, dass Gott das Gegenteil des Teufels sei.
Frage 4: Welche Philosophen griffen das Argument in der Moderne wieder auf?
A) Thomas von Aquin und Aristoteles.
B) René Descartes und Kurt Gödel.
C) Friedrich Nietzsche und Immanuel Kant.
D) David Hume und John Locke.
Frage 5: Warum lehnte Thomas von Aquin das ontologische Argument ab?
A) Weil es nicht auf empirischen Daten basierte.
B) Weil die Definition Gottes die menschliche Vorstellungskraft überfordert.
C) Weil der Mensch die Natur Gottes nicht direkt erkennen kann.
D) Weil es die Existenz des Teufels nicht erklären konnte.
Antworten:
B) Es basiert auf der Definition und dem Verständnis des Seins.
B) Das Wesen, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann.
A) Mit einer Parodie über eine perfekte Insel.
B) René Descartes und Kurt Gödel.
C) Weil der Mensch die Natur Gottes nicht direkt erkennen kann.