Dazu werden vier Perspektiven zur Erinnerungskultur untersucht und auf dieser Basis fiktive Positionen der Autoren zum Video Dancing Auschwitz entwickelt. Durch diese detaillierte Untersuchung von Perspektiven ist ein tieferes Verständnis der Shoa und ein ein Entwickeln einer eigenen persönlichen Erinnerungskultur möglich. Viele Materialien zur Shoa vermitteln Fakten des Grauens, ohne den emotionalen Umgang mit ihnen zu vermitteln. Dadurch wird Verdrängung Vorschub geleistet. Der Einstieg über starke kognitive Dissonanz durch den Zusammenhang von Tanz und Auschwitz und die Multiperspektivität beim Durchleuchten von mehreren Ansätzen zur Erinnerungskultur erleichtern das Verständnis deutscher Geschichte. Die Akzeptanz einer persönlichen Bedeutung wird erleichtert und ein Gefühl der Verbundenheit mit jüdischen Mitbürgern erzeugt, ohne die Schuld zu verdrängen.
Ein tabellarischer Unterrichtsplan erleichtert die Anwendung. Nach der Vorführung des You Tube Videos (4.20 min) wird eine Kurzbiografie des Autors Adolek Kohn erarbeitet. Durch Maßnahmen der Ghettoverwaltung und direkte Morde verlor er vier Brüder und überlebte Auschwitz. Das er mit 88 Jahren in Auschwitz mit seinen Enkeln und Urenkeln tanzt ist sein Sieg über den Tod und die NA-Herrschaft. Die Lerner/innen charakterisieren Adoleks Einstellung zum Leben. Nach der Auswertung weiterer kurzer YouTube Videos zur Entstehung des Films wird die Entstehungsgeschichte des Tanzvideos dargestellt. Es werden Reaktionen auf das Video von hasserfüllter völliger Ablehnung bis hin zu höchstem Lob untersucht. Auf Basis dieses breiten Spektrums an Rezeption wird Anhand von vier weiteren Einschätzungen zur Erinnerungskultur eine eigene Meinung dazu entwickelt. Die erste Perspektive einer Überlebenden kritisiert die formale Erinnerung ohne persönliche Bedeutung. Sie wird als touristisches Ritual absolviert, wie der Besuch einer Innenstadt. Auf Basis dieses Textes wird eine Positionierung der Autorin zu Kohns Video entwickelt. Sie ist offen für neue Formen der Erinnerungskultur, wenn diese die Bedeutungslosigkeit der Erinnerung beenden. In einem weiteren Schritt äußert sich ein Historiker zu den verschwindenden Zeitzeugen der Shoa und der Zukunft der Erinnerungskultur nach den Überlebenden. Auch hier wird eine Positionierung des Autors zum Video Dancing Auschwitz entwickelt. Er präferiert den nüchternen Blick auf die Vergangenheit und will als Historiker ein Akzeptieren Fakten ohne Emotion aber mit persönlicher Bedeutung herausstellen. Zudem soll die Verdrängung vermieden werden, die nach dem Tod der Überlebenden um so leichter fällt. Eine dritte Perspektive liefert der deutscher Schriftsteller Martin Walser. Walser würde eine neue Form der Präsentation von Erinnerungskultur begrüßen, da das Wiederholen von Grauensbildern so abstumpft, dass Menschen sich gegen eine solche Erinnerungskultur zu wehren beginnen. In einer letzten Perspektive des Deutschiraners Navid Kermani stellt er die Frage, wann aus Deutschland wieder ein normales Land werden wird. Er sieht die Erinnerungskultur an die Shoa als aussterbend. Nur wenn Erinnerungskultur sich von Bildern des Grauens löst und Frieden und Verbundenheit in den Vordergrund rücken, kann die Erinnerung bestehen ohne verschwiegen oder offen abgelehnt zu werden. Dies trifft auch auf Zuwanderer zu. Sie weigern sich ebenfalls die Last deutscher Geschichte zu tragen, da sie nicht davon betroffen werden. Auch hier wird eine Perspektive zum Video entwickelt. Kermani würde demnach das Video positiv werten, da hier nicht mit Grauensbildern gearbeitet wird, ohne aber die Schuld geringer zu werten. Das Video vereint vielmehr die historische Perspektive durch Einbezug der Orte und eine zukunftsorientierte Erinnerungskultur durch das Mitwirken der zweiten und dritten Generation von sich erinnernden Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Auch die Gestaltungsform ist Jugendorientiert und vermittelt gerade durch die Freude überlebt zu haben eine positiv konnotierte Erinnerungskultur. Eine solche Kultur macht das Grauen auch für nachfolgende Generationen erfahrbar, aber ohne einen Selbstschutzreflex zu aktiveren, der Ablehnung der Geschichtsrealität erzeugt. Eine solche Kultur ermöglicht das gemeinsame Freuen darüber überlebt zu haben, ohne die Schuld der Täter und die Leiden der Opfer zu verschweigen.