Die aufgeklärten modernen demokratischen Gesellschaften sind stolz auf sich: Wir haben uns von den Fesseln der Religion befreit und begründen den Staat auf die universalen Menschenrechte und die Vernunft. Über allem steht das Recht.
Gesetze werden von Parlamenten gemacht und der Verstoß gegen sie wird im Namen des Volkes verurteilt. Alle Macht geht vom Volke aus. Legitimität kommt nicht vom Papst, von Gott oder sonst einer spirituellen Macht. Es gilt die Herrschaft des Rechts – und nicht die Macht des Stärkeren. Hat sich also die Macht von der Religion gelöst?
Wie kommt zum Beispiel die Eidesformel „so wahr mir Gott helfe“ in die Vorlage für die Vereidigung einer Bundeskanzlerin? Warum wird der Hinweis „ich bin ein gläubiger Mensch“ gleich gesetzt mit: der hat klare moralische Kategorien?